Urteils-Ticker

Im Rahmen einer Impfpassfälschung hatte das Amtsgericht Landstuhl, Urteil v. 25. Januar 2022, Az. 2 Cs 4106 Js 15848/21 über die Verwertung der Beweismittel zu entscheiden, die aus der Offenlegung der Erkenntnisse der Apothekenmitarbeiter gewonnen wurden.

Dabei kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass Verletzungen der Schweigepflicht im Sinne des § 203 Strafgesetzbuch (StGB) regelmäßig gerechtfertigt seien, wenn Apothekenmitarbeiter Anhaltspunkte für eine Impfpassfälschung erkennen und ihre Erkenntnisse an Ermittlungsbehörden (wie bspw. die Polizei) weitergeben.

DocMorris darf Verbraucher:innen nicht mit einem Gewinnspiel dazu verleiten, dass diese ihr Rezept bei ihnen statt bei der Konkurrenz einlösen. Werbung dieser Art beeinflusse Kund:innen unsachlich, wie der Bundesgerichtshof (BGH) nach einer Klage der AK Nordrhein mit Urteil vom 18. November 2021, Az. I ZR 214/18 entschied.

Im März 2015 warb DocMorris mittels Flyer deutschlandweit für ein „Großes Gewinnspiel“ dessen Hauptpreis ein E-Bike im Wert von 2.500,- EUR war, die Plätze zwei bis zehn waren mit einer elektrischen Zahnbürste dotiert. Die Verbraucher:innen wurden mit der Aufforderung „Jetzt Rezept einsenden und gewinnen!“ animiert, am Gewinnspiel teilzunehmen. Das OLG Frankfurt (Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil v. 26. Juli 2018, Az. 6 U 112/17) als Vorinstanz hielt es nicht für ausgeschlossen, dass ein Patient online bestelle „ohne zu erwägen, dass der Erwerb des Arzneimittels bei einer stationären Apotheke seinen persönlichen Bedürfnissen mehr entspreche“. So bestehe nur dort die Möglichkeit, unaufgefordert beraten zu werden wie beispielsweise über Wechselwirkungen.

Nach Befragung des EuGH (vgl. hierzu cosmas Urteilsticker 4/2021 S. 27) bestätigte der BGH nun die Auffassung der Vorinstanz. Zwar habe ein Arzt das Arzneimittel verschrieben, wodurch aber die unaufgeforderte Beratung durch einen Apotheker nicht entbehrlich sei, so der BGH. Die Werbung mit der Veranstaltung eines Gewinnspiels zur Förderung des Verkaufs von Rx-Arzneimitteln kann sowohl als Ankündigung einer nach § 7 Abs. 1 S. 1 Heilmittelwerbegesetz unzulässigen Werbegabe als auch als Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht verboten werden, vgl. Leitsatz c).

Wird ein Erzeugnis für besondere medizinische Zwecke in den Verkehr gebracht, führen die für derartige Lebensmittel verpflichtenden Angaben (z.B. das Einsatzgebiet) grundsätzlich nicht dazu, dass es aufgrund seiner Präsentation als Arzneimittel einzustufen ist. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, BVerwG Urteil v. 17. September 2021, Az. 3 C 20.20, gilt dies auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Einordung des Produkts als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nicht gegeben sind. Schutz vor falscher Deklaration biete das Lebensmittelrecht, so die Bundesverwaltungsrichter.

Sichert der Verkäufer von Einwegmasken deren CE-Zertifizierung zu und kann tatsächlich nur ein gefälschtes Zertifikat vorlegen, kann der Käufer nach Ansicht des Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main, Beschl. v. 15. September 2021, Az. 4 U 66/21, den Kaufpreis gegen Rückgabe der Masken zurückverlangen. Dieser Entscheidung ging das vorinstanzliche Urteil des Landgericht Frankfurt (LG Frankfurt/Main, Urt. v. 19. Februar 2021, Az. 2/1 O 68/20) voraus, in welchem die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreis verurteilt wurde, Zug um Zug gegen Rückgabe der Masken durch die Klägerin. Das hiergegen eingelegte Rechtmittel der Berufung hatte vor dem OLG Frankfurt keinen Erfolg.

Die Klägerin (Käuferin) hatte bei der Beklagten (Verkäuferin) 80.000 Einwegmasken bestellt. Die Beklagte habe die CE-Zertifizierung der Masken zugesichert, so die Klägerin. Die Beklagte verlangte vor Auslieferung der Masken, die vorherigen Bezahlung des Kaufpreises für diese. In den gelieferten Verpackungen war ein Hinweis auf eine CE-Zertifizierung enthalten. In der nachträglich übersandten Rechnung war ein Zertifizierungshinweis hingegen nicht mehr enthalten, woraufhin die Klägerin die Beklagte dazu aufforderte, ihr einen Nachweis über die CE-Zertifizierung zuzusenden. Sie erhielt daraufhin allerdings ein gefälschtes Zertifikat eines polnischen Unternehmens. Tatsächlich existierte für die konkret verkauften Masken keine CE-Zertifizierung.

Die Klägerin habe der Beklagten auch keine Frist zur Nacherfüllung setzen müssen, da dies unzumutbar gewesen wäre, so das OLG. Die Unzumutbarkeit ergebe sich daraus, dass die Beklagte ihr nach Kaufvertragsschluss ein gefälschtes Dokument vorgelegt hatte. Dadurch sei das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Verkäuferin zerstört worden. Dem Vertrauen in die Seriosität des Vertragspartners komme hier besondere Bedeutung zu. Das Vorliegen einer Zertifizierung für ein bestimmtes Produkt könne nicht durch eigene Untersuchung der Ware überprüft werden, insbesondere, wenn diese - wie hier - unberechtigt mit einem CE-Zeichen versehen sei.

Im vorliegend vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, Urt. v. 21. Juli 2021, 6 U 126/20, zu entscheidenden Sachverhalt, stritten die Parteien um die Einordnung des von der Beklagten vertriebenen Produkts (ein Hustensaft) als (Präsentations-)Arzneimittel oder Medizinprodukt. Die Klägerin war der Ansicht, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein Präsentationsarzneimittel handle für das der Beklagten keine Arzneimittelzulassung vorliege. Die Beklagte habe folglich den Vertrieb zu unterlassen.

Die Beklagte legte im Verfahren einen Bescheid des BfArM vor, worin dieses das Präparat als nicht zulassungspflichtiges Arzneimittel eingestuft hatte.

Habe das BfArM als fachlich kompetente Behörde festgestellt, dass ein Produkt trotz seiner Präsentation nach einer Gesamtabwägung kein zulassungspflichtiges Arzneimittel ist, entfalte diese Feststellung Tatbestandswirkung. Es sei gerade Sinn der Tatbestandswirkung, dass die fachlich kompetente Verwaltungsbehörde eine abschließende Entscheidung treffe, die von den Zivilgerichten (unabhängig von der Rechtmäßigkeit) nicht nachgeprüft werden könne.
Ein von einer Verwaltungsbehörde (hier: BfArM) erlaubtes Verhalten stellt selbst dann keine Irreführung nach § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar, wenn tatsächlich die Voraussetzungen für die Erlaubnis nicht vorliegen. Im Rahmen einer Interessenabwägung könne ein Unterlassungsanspruch nicht wegen eines Verhaltens begründet werden, dass einer gesetzlichen Erlaubnis entspreche, so die Richter. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin wurde folglich verneint.

Auf Vorlage des Bundesgerichtshofs (BGH) hat der EuGH mit Urteil vom 15. Juli 2021, Az. Rs C-190/20, entschieden, dass es dem nationalen Gesetzgeber frei steht, die Verkaufsmodalitäten von Apotheken bei der Abgabe verschreibungspflichtigen Arzneimittel selbst zu regeln. Konkret bedeutet das, dass

auch EU-Arzneimittelversender die Schranken des nationalen Heilmittelwerbegesetzes zu beachten haben. Konkret ging es vorliegend um ein an eine Rezepteinlösung gekoppeltes Gewinnspiel.

 

Sie finden das EuGH-Urteil in voller Länge unter https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=244193&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=5121599

Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshof (EuGH), Urt. V. 8. Juli 2021, Az. C.178/20, darf ein Arzneimittel, das in einem Mitgliedstaat der EU frei verkäuflich ist, nicht automatisch auch in anderen Mitgliedstaaten verkauft werden.

Grundsätzlich bedarf der Arzneimittevertrieb in einem EU-Land einer Genehmigung der EU-Kommission oder der zuständige Behörde des Landes, in dem das Arzneimittel frei verkäuflich sein soll. Es ist hingegen nicht ausreichend, wenn der Verkauf des Arzneimittels bereits in einem anderen oder mehrere anderen Mitgliedstaaten freigegeben ist. Die Freigabe ist nicht auf andere Mitgliedstaaten übertragbar. Zwar könne nach der Arzneimittelrichtlinie die Genehmigung in einem EU-Mitgliedstaat auch in einem anderen anerkannt werden, so die Richter in Luxemburg. Dies sei aber nur unter engen Voraussetzungen möglich und bedürfe eines entsprechenden Antrags.

Eine Ausnahme vom Grundsatz der separaten Genehmigung gelte nur dann, wenn das Arzneimittel im Einklang mit dem Unionsrecht in besonderen medizinischen Bedarfsfällen verwendet werde, so der EuGH.
 

Lesen Sie das ganze Urteil unter https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=243868&mode=req&pageIndex=1&dir=&occ=first&part=1&text=&doclang=DE&cid=35821615 !

Besitzen zwei Apotheker jeweils eine eigene Betriebserlaubnis für eine Apotheke bzw. für eine Haupt- und Filialapotheke, ist es Ihnen nicht möglich eine weitere Apotheke als Filiale gemeinsam in einer OHG zu besitzen. Das Verwaltungsgericht Leipzig, Urteil v. 17. Juni 2021, Az.: 5 K 1793/19 argumentierte, dass dem Apothekengesetz ein solches Konstrukt fremd sei und ein solches zudem das Fremd- und das (eingeschränkte) Mehrbesitzverbot gefährde.

Fehlt bei einem Apotheken-Bonusprogramm der deutliche Hinweis auf den Rx-Ausschluss, kann dies nach Urteil des Landgerichts (LG) Leipzig vom 20. Mai 2021, Az. 04 HK O 159/21, Irreführung und damit unzulässig sein. Der Online-Arzneimittelversender Apodiscounter hatte mit verstecktem Hinweis eine beworbene Prämie für die Einlösung von Rezepten auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel eingeschränkt und musste hier nachbessern. Der Hinweis, dass auf rezeptpflichtige Arzneimittel keine Rabatte gewährt werden, war demnach zu versteckt- nach Auffassung des Gerichts, müsse dieser Hinweis „in engem räumlichen Bezug zu den blickfangartig hervorgehobenen, werbenden Angaben zum Bonusprogramm deutlich erkennbar angebracht sein bzw. der Betrachter müsste durch ein deutliches Zeichen zum Hinweis geführt werden.“

„Weed“ verstößt gegen die öffentliche Ordnung – EuG, Urteil vom 12. Mai 2021, Az. T-178/20

Das europäische Gericht (EuG) hat mit Urteil vom 12. Mai 2021, Az.: T.178/20, entschieden, dass das Logo des bayerischen Importeurs von medizinischem Cannabis Bavaria Weed GmbH (Klägerin) gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Die Klägerin darf ihr Logo, welches den Namen der Firma und eine Abbildung des Hanfblattes beinhaltet, demnach nicht als Unionsmarke eintragen lassen. Das EuG bestätigte damit die Entscheidung des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), gegen welche die Klägerin sich zu wehren versuchte.

Die Klägerin führte an, dass sie die Nutzung von Cannabis lediglich zu therapeutischen und gesundheitsfördernden Zwecken anbiete, was ihrer Ansicht nach nicht gegen die öffentliche Ordnung verstoße. Die EUIPO hingegen befand, dass die Marke einen Konsum von Marihuana fördere, bewerbe oder zumindest einen solchen verharmlos und damit ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung nach Art. 7 Absatz 1 lit. f VO 2017/1001 vorliege. Besonders problematisch sei dabei auch die Nutzung des Begriffs „Weed“, welches umgangssprachlich im Englischen für „Gras“, also Marihuana verwendet wird. Der EuG stellte fest, dass das Wort „Weed“ oft als Symbol für den Freizeitkonsum von Marihuana verstanden wird und mit dem Logo der Klägerin vielmehr ein nicht medizinisch indizierter Konsum von Cannabis als Betäubungsmittel zum Berauschen und eben gerade nicht die Nutzung der Pflanze als Arzneimittel verbunden würde. Werden Dienstleistungen therapeutischer Art mit dem Begriff „Weed“ verbunden, so bestehe die Gefahr, dass es zu einer Verharmlosung des Begriffs kommen könnte, oder sogar einer offiziellen Bestätigung desselben, wodurch bei der breiten Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werde, dass der nicht medizinisch indizierte Konsum toleriert oder sogar gefördert werde. Die Richter führten weiter aus, dass Marihuana in den meisten EU-Mitgliedsstaaten nach wie vor verboten sei- da bei einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung alle Interessen zu berücksichtigen seien, die im Wertesystem der Mitgliedsstaaten verankert sind, sei der Kampf gegen die Verharmlosung von Marihuana weiterhin von großer Bedeutung, denn er hat die öffentliche Gesundheit zum Ziel.

 

Das ganze Urteil des EuG ist abrufbar unter: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=241194&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=4922476

Approbation trotz Strafe – OVG Saarland, Beschluss vom 23. April 2021, Az. 1 B 358/20

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Approbationswiderrufs und der Einziehung der Approbationsurkund, kommt einem vorläufigen Berufsverbot gleich und unterliegt daher strengen verfassungsrechtlichen Vorschriften so das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (OVG) mit Beschluss vom 23. April 2021 (Az.: 1 B 358/20).

Vorliegend hatte der Apotheker verschreibungspflichtige Arzneimittel zu Dopingzwecken ohne Rezept abgegeben, wofür gegen ihn im April des Vorjahres ein Strafbefehl erlassen wurde, welcher rechtskräftig wurde. Die Staatsanwaltschaft setzte die zuständige Aufsichtsbehörde davon in Kenntnis, welche den Apotheker anhörte und sodann dessen Approbation widerrief und die unverzügliche Rückgabe der Approbationsurkunde forderte. Sie ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an, was zur Folge hatte, dass die Approbation mit sofortiger Wirkung entzogen war und der vom Apotheker dagegen eingelegte Widerspruch (gegen diesen sofortigen Entzug), keine aufschiebende Wirkung hatte. Der Apotheker beantragte im Eilverfahren die sog. „Wiederherstellung“ der aufschiebenden Wirkung, blieb damit in erster Instanz (Verwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss v. 23. November 2020) aber erfolglos.

Das OVG gab dem Antrag des Apothekers nun aber mit der Begründung statt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Approbationswiderrufs und der Einziehung der Approbationsurkunde kämen einem vorläufigen Berufsverbot gleich und unterliege daher strengen verfassungsrechtlichen Vorschriften. Obwohl der Approbationswiderruf offensichtlich rechtmäßig sei, erlaube dies unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht ohne weiteres die sofortige Vollziehung desselben. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, die konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lassen und diese schwerer wiegen als das Interesse des Apothekers an einem vorläufigen Rechtsschutz, so die Richter. Zwar sei die rezeptfreie Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu Dopingzwecken besonders verwerflich, da dadurch die Gesundheit von Menschen gefährdet werde. Aber: „Wenn schon der Verfahrensdruck zu einer Verhaltensänderung jedenfalls für die Dauer des Hauptsacheverfahrens führt, ist ein Sofortvollzug gerade nicht erforderlich und muss unterbleiben“ so die Richter und berücksichtigten, dass sich der Apotheker bereits im Ermittlungsverfahren kooperativ verhalten und Einsicht gezeigt habe. Vielmehr ist die Berufsausübung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zulässig.

Kein Rabatt auf Lifestyle-Arznei – BGH, Urteil vom 25. März 2021, Az. I ZR 247/19

Unternehmen der privaten Krankenversicherung und Träger der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen können gegenüber pharmazeutischen Unternehmen keine Herstellerrabatte auf sog. „Lifestyle“-Arzneimittel gem. § 34 Absatz 1 Satz 7 und Satz 8 Sozialgesetzbuch V geltend machen, so der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 25. März 2021, Az.: I ZR 247/19.

Die Klägerin, ein pharmazeutische Unternehmen, importiert und vertreibt Arzneimittel, darunter auch sog. Lifestyle-Arzneimittel. Sie begehrte die Feststellung, nicht dazu verpflichtet zu sein, einem Privatversicherer (Beklagter) für bestimmte Lifestyle-Arzneimittel, die nicht in den GKV-Leistungskatalog fallen, Herstellerrabatte im Sinne von § 1 Satz 1 Arzneimittel-Rabattgesetz (AMRabG) gewähren zu müssen.

Gem. § 1 S. 1 AMRabG müssen Pharmaunternehmen einen gesetzlichen Herstellerrabatt, wie es das Fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V) im Bereich der GKV vorsieht, auch privaten Krankenversicherern gewähren. Nach Auffassung der Richter sei der Wortlaut der Norm eindeutig- sie verweise uneingeschränkt auf die sozialrechtliche Regelung zu den Herstellerrabatten, § 130a Abs. 1 SGB V. Dies wiederum mache deutlich, dass die Pflicht zum Abschlag nur auf Arzneimittel Anwendung finde, die auch von den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden. Eine einschränkende Auslegung der Norm sei mangels der eindeutigen Wortlauts nicht möglich.

Schon in der Vorinstanz hatte die Klägerin Recht bekommen, woraufhin die Beklagte sich zur Wehr setzte. Im Ergebnis aber ohne Erfolg.

§ 1 Satz 1 AMRabG – Anspruch auf Abschläge

Die pharmazeutischen Unternehmer haben den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend § 130a Absatz 1, 1a, 2, 3, 3a und 3b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zu gewähren. (…)

„(…) Eine in einem Mitgliedstaat niedergelassene Apotheke ist nicht zur Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage berechtigt, wenn sie Lieferungen pharmazeutischer Produkte als in diesem Mitgliedstaat von der Mehrwertsteuer befreite innergemeinschaftliche Lieferung an eine gesetzliche Krankenkasse mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erbringt und den bei dieser Krankenkasse versicherten Personen einen Rabatt gewährt.“, so der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Leitsatz seines Urteils vom 11. März 2021, Az. C-802/19.

Sie finden das EuGH-Urteil in voller Länge unter https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=238747&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=5121599

Einschlaf-Kapseln mit Zusatz von 0,5 mg Melatonin und empfohlener Tagesverzehrmenge von bis zu zwei Kapseln sind keine Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) Arzneimittelgesetz, so das OLG Frankfurt/M., Urteil v. 11. März 2021, Az.: 6 U 2/15. Die Vorschrift ist im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Funktionsarzneimittel und Lebensmittel restriktiv auszulegen - unabhängig davon, wie die Auswirkungen auf den Stoffwechsel des menschlichen Körpers beschaffen sind.

Die Werbeaussage „klinisch belegte Wirksamkeit“ bei der Bewerbung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel in einer Fachzeitschrift, wird nach Ansicht des OLG Hamburg, Urteil v. 11. März 2021, Az. 3 U 33/19 vom entsprechenden Fachverkehr nicht dahin verstanden dass es sich dabei um eine Besonderheit handelt, die nicht auf konventionelle Arzneimittel zutrifft. Die Angabe stellt eine Selbstverständlichkeit und damit eine inhaltsleere Anpreisung des Produkts dar, sodass dadruch keine Irreführung hervorgerufen wird.

Ebenso sind die Werbeangaben „ohne bekannte Resistenzen“ bzw. „ohne bekannte Resistenzentwicklung“ nicht irreführend, wenn im Zeitpunkt der Werbung tatsächlich keine Resistenzen bekannt sind.

LG München, Urteil v. 10. Februar 2021, Az.: 37 O 15721/20; 37 O 17520/20 - Keine Kooperation zwischen Gesundheitsministerium und Google

Mit Urteil vom 10. Februar 2021, Az.: 37 O 15721/20; 37 O 17520/20 hat die auf Kartellrecht spezialisierte 37. Zivilkammer des Landgerichts (LG) München I dem BMG und Google vorläufig eine Zusammenarbeit untersagt, die darauf gerichtet ist, bei der Google-Suche nach Krankheiten prominent hervorgehobene Infoboxen (sog. Knowledge Panels) mit Gesundheitsinformationen anzuzeigen, die aus den Inhalten des Nationalen Gesundheitsportals des BMG (gesund.bund.de) gespeist und mit einem Link zu diesem Portal versehen sind. Die Zivilkammer bewertete dies als Kartellverstoß und hat daher den beiden Eilanträgen der NetDoktor.de GmbH gegen die BRD, vertreten durch das BMG, und gegen Google im Wesentlichen stattgegeben.

 

OLG Hamburg, Beschluss v. 22. Dezember 2020 – Az.: 3 W 38/20: Kennzeichnungspflichten für den Großhändler bei medizinischen Cannabisblüten

Das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2020, Az.: 3 W 38/20 der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung in erster Instanz stattgegeben und verbot dem niederländischen Großhändler im Wege der einstweiligen Verfügung, Cannabisblüten in der bis dahin von diesem verwendeten Aufmachung in den Verkehr zu bringen. Das OLG bemängelte zwar nicht, dass die Angaben auf dem Behältnis in niederländischer Sprache waren, allerdings fehle die nach § 24 Absatz 2 Ziff. 1 AMWHV nötige Angabe des korrekten Herstellers und seiner Adresse.

Zunächst stellte das Gericht klar, dass es sich bei medizinische Cannabisblüten, die ein Großhändler an Apotheken vertreibt, nicht um Arzneimittel im Sinne von § 2 Absatz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) handelt. Vielmehr seien sie als Stoffe im Sinne von Art. 1 Ziffer 3 Richtlinie 2001/83/EG; § 3 Nr. 2 AMG anzusehen, also Pflanzen, Pflanzenteile und Pflanzenbestandteile in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand. In der Apotheke müssen noch weitere wesentliche Bearbeitungsschritte wie Mahlen, Sieben, Dosieren und Abpacken erfolgen, ehe ein „abgabefähiges Endprodukt“ vorliegt.

Werden medizinische Cannabisblüten vertrieben, ohne dass die Behältnisse Angaben zur Herstellung, zur Verordnung und Anwendung sowie zu den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen tragen, seien sie auch keine Präsentationsarzneimittel: „Allein der Umstand, dass es sich bei den streitgegenständlichen Cannabisblüten um solche von pharmazeutischer Qualität handelt und dies den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt ist, genügt nicht um ein Präsentationsarzneimittel anzunehmen“, so die Richter.

Da es sich stattdessen um einen Stoff gem. § 3 Nr. 2 AMG handele, sei § 24 AMWHV anzuwenden, mit der Folge, dass eine Kennzeichnung der Blüten dessen Anforderungen zu entsprechen habe.

Eine Apotheke aus Bonn darf Facebook-Likes nicht mit zwei „Schlosstalern“ belohnen, die in der Apotheke gegen Prämien eingetauscht werden können. Das Landgericht Bonn (LG Bonn, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 14 O 82/19) stufte dies als bezahlte Empfehlungen Dritter ein, die wettbewerbsrechtlich unzulässig sei, wenn dieser Umstand nicht offengelegt werde, denn Äußerungen Dritter wirkten in der Werbung immer objektiver als eigene Aussagen des Werbenden. Die Zahl der Likes spiegele im allgemeinen Bewusstsein eine Beliebtheit wider, aus der gemeinhin Rückschlüsse auf die Kundenzufriedenheit geschlossen würden, so das LG. Das Angebot der „Schlosstaler“ sei daher wettbewerbswidrig. Auch rügten die Richter die Bezeichnung der Apotheke als „exklusive Notfall-Apotheke“. Dies sei ebenso eine unlautere Werbung, da jede Apotheke eine Notfall-Apotheke sei. Der mit einem Bonner Altersheim kooperierende Apothekeninhaber wurde darüber hinaus auch dahingehend abgemahnt, weil er in einem Rundschreiben an die Heimbewohner diesen suggerierte, dass ihnen beim Kauf ihre Medikamente in anderen Apotheken Nachteile erwachsen würden.

 

 

BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – I ZR 235/16 - Gratismuster nicht rezeptpflichtiger Medikamente für Apotheken

Pharmazeutische Unternehmen dürfen Gratismuster nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel grundsätzlich an Apotheker abgeben. Die Abgabe „zu Demonstrationszwecken“ ist dann zwar nicht als unzulässige Abgabe von Medikamenten wettbewerbswidrig, könnte aber laut Bundesgerichtshof (BGH) trotzdem gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoßen.

Die Novartis Consumer Health GmbH – die Herstellerin des Arzneimittels „Voltaren Schmerzgel“ – beantragte vor dem LG Frankfurt a.M., die Abgabe von Gratismustern des Arzneimittels „Diclo-ratiopharm-Schmerzgel“ durch den Generikahersteller ratiopharm an Apotheker zu untersagen. Beide Medikamente enthalten den Wirkstoff Diclofenac. Novartis war der Ansicht, eine solche kostenlose Abgabe an Apotheken „zu Demonstrationszwecken“ verstoße gegen § 47 Absatz 3 Arzneimittelgesetz (AMG) und sei daher eine – auch wettbewerbsrechtlich – unzulässige Weitergabe von fertigen Arzneimitteln. Das Landgericht gab der Klage statt. Die Berufung des Generikakonzerns gegen dieses Urteil scheiterte vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (OLG), da die Norm es pharmazeutischen Unternehmen verbiete, Muster eines Fertigarzneimittels an Apotheken abzugeben. Dagegen legte ratiopharm Revision beim BGH ein- vorerst mit Erfolg.

Der BGH hatte zunächst den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Bewertung des Falls aus europarechtlicher Sicht gebeten. Dieser entschied, dass der Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG) es pharmazeutischen Unternehmen nicht erlaube, Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben. Für nicht verschreibungspflichtige Medikamente gelte dies nicht.

Dem folgte der BGH. Aus Sicht der Richter verstößt die Abgabe des nur apothekenpflichtigen Arzneimittels von ratiopharm an Apotheker weder gegen § 47 Absatz 3 AMG noch gegen Art 96 Absatz 1 der Richtlinie 2001/83/EG: Diese Bestimmungen seien auf solche Fertigarzneimittel nicht anwendbar. Die Musterabgabe sei damit unabhängig vom Wert des Musters innerhalb der Grenzen des § 47 Absatz 3 und 4 AMG zulässig. Dem I. Zivilsenat zufolge liegt insoweit kein wettbewerbswidriges Verhalten vor. Allerdings könne ein Verstoß gegen das Verbot von Werbegaben nach § 7 Absatz 1 HWG vorliegen. Relevant sind dabei laut BGH die gelieferten Mengen: Größere Lieferungen würden für eine Weitergabe an Kunden und damit einen unzulässigen Werbeeffekt sprechen. Dies muss das OLG jetzt näher aufklären.

EuGH (3. Kammer), Urteil vom 11.6.2020 – C-786/18 (ratiopharm GmbH/Novartis Consumer Health GmbH)

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.9.2016 – 6 U 161/15

§ 47 Absatz 3 und 4 AMG (Stand 15. April 2020):

(…)

(3) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels abgeben oder abgeben lassen an

 

1.

Ärzte, Zahnärzte oder Tierärzte,

 

2.

andere Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde berufsmäßig ausüben, soweit es sich nicht um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt,

 

3.

Ausbildungsstätten für die Heilberufe.

Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Ausbildungsstätten für die Heilberufe nur in einem dem Zweck der Ausbildung angemessenen Umfang abgeben oder abgeben lassen. Muster dürfen keine Stoffe oder Zubereitungen

 

1.

im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes, die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind, oder

 

2.

die nach § 48 Absatz 2 Satz 3 nur auf Sonderrezept verschrieben werden dürfen,

enthalten.

(4) Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels an Personen nach Absatz 3 Satz 1 nur auf jeweilige schriftliche oder elektronische Anforderung, in der kleinsten Packungsgröße und in einem Jahr von einem Fertigarzneimittel nicht mehr als zwei Muster abgeben oder abgeben lassen. Mit den Mustern ist die Fachinformation, soweit diese nach § 11a vorgeschrieben ist, zu übersenden. Das Muster dient insbesondere der Information des Arztes über den Gegenstand des Arzneimittels. Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe von Mustern sind gesondert für jeden Empfänger Nachweise zu führen und auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen.

 

Eine auf die Wirksamkeit eines Arzneimittels bezogene Werbeangabe ist auch dann nicht hinreichend wissenschaftlich gesichert, wenn der von der Angabe in Bezug genommenen Studie zum konkret beworbenen Aspekt eine andere Studie zugrunde liegt, die ihrerseits nicht den im konkreten Fall notwendigen wissenschaftlichen Anforderungen (Goldstandard) entspricht, sondern maßgebliche Limitationen aufweist. Der Fachverkehr wird dann durch die Werbung in die Irre geführt, wenn dort auf die Limitationen nicht hingewiesen wird, entschied das OLG Hamburg, Beschluss v. 3. Dezember 2020, 3 U 21/20.

Eine Arzneimittelwerbung, die angibt, dass die Gabe des beworbenen Mittels für die Patienten „von höchster Relevanz“ sei, hat auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis auf Wettbewerbspräparate einen vergleichenden Bezug zu diesen, wenn der Verkehr nach dem Inhalt der Werbung, insbesondere den dortigen Überschriften, allgemeine Behandlungsempfehlungen für die konkret in Rede stehende Erkrankung erwartet und sich auch aus den weiteren Angaben der Werbung keine hinreichend eindeutigen Hinweise darauf ergeben, dass die Werbung einzig den beworbenen Impfstoff betrifft.

Den Fließtext einer Werbung/Informationsbroschüre, liest der Verkehr, wenn er nicht nur blickfangartige Herausstellungen erfasst, stets insgesamt, so die Richter.

OLG Stuttgart, Urteil November 2020 – Az. 2 U 31/20: Shop-Apotheke ist nicht „beste Online-Apotheke Deutschlands“

Dies hat das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) entschieden (Az. 2 U 31/20) und bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz (Landgericht Stuttgart, Urteil vom 13. Januar 2020, Az. 37 O 29/19KfH). Von einem in den Niederlanden ansässige Beratungsunternehmen hatte die Shop-Apotheke die Auszeichnung „Webshop Awards Germany 2018 – 2019 Online-Apotheke“ erhalten. An der Wahl zum Händler des Jahres hatten jedoch nur solche Unternehmen teilgenommen, die sich konkret um die Teilnahme beworben hatten. Die Wahl an sich gestaltete sich nicht transparent.

Dem Urteil des OLG nach, seien vorliegend die Grundsätze einer zulässigen Testwerbung nicht erfüllt. Die Durchführung solcher Tests müsse objektiv, neutral, sachkundig und repräsentativ sein. Unabhängigkeit sei hierfür Voraussetzung, an dieser fehle es jedoch, wenn derjenige, der den Test ausruft in irgendeiner Weise mit Herstellern, Anbietern oder deren Verbänden rechtlich oder wirtschaftlich verbunden oder von Ihnen abhängig sei und für seine Tätigkeit ein Entgelt oder eine Belohnung anstrebe. Eine solche Unabhängigkeit liege hier nicht vor. Darüber hinaus liege ein Irreführung der Verbraucher über eine Eigenschaft des Unternehmens vor:  Dieser gehe nach dem Sprachverständnis beim Slogan „Die beste Online-Apotheke Deutschlands“ davon aus, dass die Apotheke in Deutschland ansässig sei. Dies ist aber hier nicht der Fall. Ob ein Unternehmen seinen Sitz in Deutschland oder im Ausland hat, sei nach Ansicht des OLG jedenfalls dann von Relevanz, wenn es um den Vertrieb von Medikamenten gehe und jedenfalls einem erheblichen Prozentsatz der Verbraucher bekannt sei, dass Apotheken je nach Sitz verschiedene Anforderungen erfüllen müssen. Das Urteil ist rechtskräftig.

LG Aschaffenburg, Urteil v. 5. November 2020 –Az. 2 HK O 20/20: TeleClinic darf die Ausstellung von Online-Rezepten nur bewerben, wenn Patienten diese in jeder Apotheke Deutschlands einlösen können

Das Landgericht Aschaffenburg hat am 5. November 2020 (Az. 2 HK O 20/20) der TeleClinic im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, die Ausstellung von Online-Rezepten zu bewerben, sofern Patienten diese Verordnungen dann nicht in jeder Apotheke Deutschlands einlösen können. Rein tatsächlich war eine Einlösung der E-Rezepte über das Online-Portal der TeleClinic aber nur in einer einzigen Apotheke möglich.

Auch sahen die Richter eine wettbewerbsrechtlich relevante Täuschung darin, wenn die TeleClinic auf ihrer Website erklärt, der Online-Arztbesuch sei für gesetzlich Versicherte kostenlos und dabei nicht „eindeutig“ darauf hinweist, dass die verschriebenen Arzneimittel vom Patienten selbst zu bezahlen sind. Das LG sah darin einen ganz wesentlichen Umstand, ob ein Onlinearzt „gebucht“ werden soll oder nicht: „Dem Patienten geht es neben der ärztlichen Beratung doch gerade darum, die ärztlich verschriebenen Medikamente ohne Entgelt - bis auf die Rezeptgebühr - zu erhalten.“

Eine den Anwendungsbereich des § 7 Absatz 1 Satz 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) eröffnende Produktwerbung liegt vor, wenn die Botschaft das Ziel verfolgt, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln oder Medizinprodukten zu fördern. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Botschaft auch die Leistungen des Unternehmens transportiert. Eine unmittelbare Kopplung zwischen dem Erhalt der Werbegabe und einer Kaufentscheidung wird für das zur Anwendung des § 7 Abs. 1 S .1 HWG notwendige Bestehen der Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung nicht vorausgesetzt. Eine solche Gefahr ist bei einer Publikumswerbung anzunehmen, wenn es nach dem Umständen nicht fernliegt, dass sich ein Verbraucher für das beworbene Produkt entscheidet, ohne zuvor eine vom ihm anderenfalls vorgenommene Prüfung durchzuführen, ob das Angebot eines anderen Unternehmens seinen persönlichen Bedürfnissen entspricht, so das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart v. 6. August 2020, Az. 2 W 23/20.

BVerwG, Urteil Juli 2020 – Az 3 C 21/18: Kuschelsocken-Streit

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hält daran fest, dass inländische Apotheken ihren Kunden beim Erwerb verschreibungspflichtiger Arzneimittel keine Vorteile in der Form von Sachleistungen versprechen und gewähren dürfen. Das BVerwG führt in seinem Urteil (Az. 3 C 21/18) aus, dass die für inländische Apotheken geltende Preisbindung nach § 78 Arzneimittelgesetz (in der Fassung vom 6. Mai 2019) in Verbindung mit der Arzneimittelpreisverordnung i. d. F. vom 9. Oktober 2019 auch unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 (Az. C-148/15, Deutsche Parkinson Vereinigung e.V.) weder gegen die Berufsfreiheit in Artikel 12 Grundgesetz (GG) noch den Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 GG verstoße und damit keine unzulässige Inländerdiskriminierung vorliege. Die Anwendung der arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften auf inländische Apotheken stehe im Einklang mit dem Unionsrecht.

Vertretungsapotheker können unter bestimmten Voraussetzungen selbständig tätig sein - Aktuelle Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2020

In der Vorinstanz entschied das Sozialgericht Detmold zugunsten der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) und verpflichtete die klagende Apothekeninhaberin mit Urteil vom 23. November 2017 zur Zahlung von Sozialabgaben für ihre Vertretungen. Damit entsprach es der Sicht der DRV, wonach es sich bei einem Vertretungsapotheker um einen Angestellten mit befristetem Arbeitsverhältnis handle. Die Apothekerin legte Rechtsmittel ein, woraufhin das Landessozialgericht NWR (LSG) nun mit Urteil vom 10. Juni 2020,Az. L 8 BA 6/18 festgestellt hat, dass Vertretungsapotheker selbständig tätig sein können und dann keine Sozialabgaben für diese Tätigkeit abführen müssen. Das LSG argumentierte, Vertreter seien nicht weisungsgebunden und würden ihr Honorar bei jedem Arbeitgeber erneut und individuell verhandeln. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesozialgerichts setze ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis voraus, dass der Arbeitnehmer in persönlicher Abhängigkeit zum Arbeitgeber stehe. In einem fremden Betrieb könne das bejaht werden, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführungen unterliege. Im vorliegenden Fall sei das LSG zu der Überzeugung gelangt, dass „ein für die Statusfeststellung bedeutsames Weisungsrecht der Klägerin“ nicht vorläge. Die Vertretung habe ihre Tätigkeit „vielmehr im Wesentlichen frei gestalten“ können.Das LSG geht offensichtlich davon aus, dass die Begriffe „weisungsfrei“ imApothekenrecht und im Sozialrecht nicht deckungsgleich sind. Ob dieser Auffassung sich auch andere Sozialgerichte anschließen, bleibt abzuwarten. Zumindest haben damit Vertretungsapotheker, die ihre Tätigkeit auf selbständiger Basis anbieten, Argumente andie Hand bekommen.