Vitalsana

Gemeinsam mit der Bayerischen Landesapothekerkammer klagte die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK) über die Wettbewerbszentrale gegen die niederländische Versandapotheke Vitalsana. Die Tochter der Firma Schlecker mit Sitz in Ehingen verfolgt nach Ansicht der Kammern und der Wettbewerbszentrale Geschäftspraktiken, die aus wettbewerbsrechtlicher bzw. pharmazeutischer Sicht höchst bedenklich sind und gegen geltendes Recht verstoßen.

Ein Urteil des Landgerichts Ulm vom 19. Mai 2010 gibt der LAK und ihren Mitstreitern in vielen Punkten Recht. So bemängelte die LAK, dass die Werbung sowie der Bestell- und Abholschein gar keinen bzw. keinen ausreichenden Hinweis darauf enthielt, dass es sich bei der Versandapotheke um eine niederländische Firma handelt. Weiter wurde beanstandet, dass die Werbung in eine Werbedruckschrift der Firma Schlecker integriert war. So entstand beim Verbraucher der unzutreffende Eindruck, die beworbenen Arzneimittel seien Angebote der Firma Schlecker. Die Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versandapotheke, wonach niederländisches Recht vereinbart wurde, sei außerdem für den deutschen Verbraucher überraschend und unzulässig, so der Klägervortrag. In diesen wettbewerbsrechtlichen Punkten folgte das Gericht der Argumentation der Kammern und der Wettbewerbszentrale.


Besonders wichtig war es der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg herauszustellen, dass die Versandapotheke pharmazeutische Standards verletzt. So verwendete Vitalsana, aus Sicht der LAK unzulässigerweise, in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen Klauseln, wonach der Kunde mit der Gesprächsaufzeichnung der Telefongespräche mit ihrem Call-Center einverstanden sein musste. Andernfalls erfolgte keine Beratung. Das Gericht teilt auch hier die Auffassung der Kammern und der Wettbewerbszentrale: Schließlich stehe dem „Interesse der Beklagten an der Aufzeichnung (…) ein erhebliches Interesse der Kunden gegenüber, eine telefonische Beratung in Anspruch nehmen zu können, ohne der Aufzeichnung des Gesprächs zu-stimmen zu müssen.“ Patienten könnten ansonsten dazu veranlasst werden, auf eine Beratung zu verzichten. Ferner wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches auf dem Grundrecht der Menschenwürde und dem Grundrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts basiert, verletzt, so das Landgericht Ulm.

Auch, dass die pharmazeutische Beratung im Wege einer Telefonhotline nur gegen Zahlung einer Gebühr erhältlich ist, ist für die LAK nicht rechtens. Die Forderung einer Gegenleistung widerspricht dem Sinn und Zweck der Beratungspflicht des Apothekers. In diesem Punkt folgte das Gericht jedoch dem Klägervortrag leider nicht.

Ebenfalls nicht durchsetzen konnten die Kammern und die Wettbewerbszentrale ihre Auffassung, wonach die pharmazeutische Beratung zu einem bei der ausländischen Apotheke bestellen Arzneimittel durch ein Call-Center in Deutschland Bestandteil einer pharmazeutischen Tätigkeit und damit in der BRD erlaubnispflichtig ist, wie die Beratung durch eine deutsche Apotheke vor Ort. Die Klägerseite bemängelt, dass sich die Versandapotheke auf diese Weise der Aufsicht durch die deutschen Behörden entziehen kann. Aus Sicht der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg ist dies sehr unbefriedigend. Von Chancengleichheit und fairem Wettbewerb kann folglich nicht mehr gesprochen werden.

Ob die Kammern über die Wettbewerbszentrale Berufung gegen das Urteil einlegen, wird derzeit noch geprüft.