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  • 26.11.2025

Heidelberger Herbstkongress 2025 XX oder XY - wenn das Geschlecht den Unterschied macht

Beim 48. Heidelberger Herbstkongress wurden Mythen rund um hormonelle Verhütungsmittel, Menopause, Prostataerkrankungen und Dysmenorrhoe ausgeräumt.

Der Hörsaal der pharmazeutischen Fakultät in Heidelberg füllt sich. Rund 270 Pharmazeut:innen tauschen sich aus und kommen an zwei Kongresstagen zum vielseitigen Vortragsprogramm vor Ort zusammen. Viele nehmen auch online teil. Für die wissenschaftliche Leitung sorgen Silke Laubscher (Heidelberg), Andrea Litzinger (Mannheim) und Dr. Bianca Scholz (Bensheim). Dann eröffnet LAK-Vizepräsidentin Silke Laubscher den Kongress. Nach einer kurzen Stellungnahme zur derzeitigen politischen Lage, begrüßt sie die erste Referentin: Prof. Dr. Martina Düfer von der Universität Münster. 

Von der Pubertät zum Klimakterium – Hormonelle Verhütung und die „Pille danach“

Immer weniger Frauen nutzen die Antibabypille – dennoch bleibt sie das meistverwendete hormonelle Verhütungsmittel. Prof. Düfer führt durch den weiblichen Zyklus, erklärt die Wirkmechanismen verschiedener Präparate und geht auf Risiken ein, darunter etwa das Thromboserisiko bei Ethinylestradiol und bestimmten Gestagenen. Umso wichtiger sei es, Patient:innen in der Apotheke kompetent zu beraten. Um das Risiko für depressive Verstimmungen gering zu halten, empfiehlt sie, vor hormonellen Präparaten zu klären, ob bereits ein Antidepressivum verordnet wurde. Kommt es trotz Verhütung oder aus Nachlässigkeit zu einer Schwangerschaft, greifen viele Frauen zur „Pille danach“. Düfer zeigt, wie die zwei Wirkstoffe Ulipristalacetat und Levonorgestrel wirken und den bevorstehenden Eisprung im Zyklus nach hinten verschieben, und gibt klare Hinweise zur Anwendung. Es gebe durchaus Situationen, in denen eine Abgabe nicht sinnvoll sei: „Jede Frau muss individuell betrachtet werden.“

Wann ist ein Mann ein Mann? – Testosteron, Sildenafil und Co. 

Testosteron gilt als das Hormon der Männlichkeit. Prof. Dr. Dogu Teber aus dem Klinikum Karlsruhe erklärt in seinem Vortrag Ursachen und Folgen eines Testosteronmangels – von Libidoverlust über Gewichtszunahme bis zu erektiler Dysfunktion. Er stellt verschiedene Formen der Testosteronersatztherapie vor, wie etwa transdermale Gele. Aber Achtung: Solche Präparate müssen ausreichend einziehen und trocknen, da das Hormon noch länger vorm Körper absorbiert werden kann. Teber empfiehlt daher, nach dem Auftragen mindestens vier Stunden keinen Körperkontakt zu anderen Menschen oder Tieren zu haben. Anschließend räumt er mit Mythen rund um Sexualität auf: Gerade soziale Medien führten zu einer Übersexualisierung, so dass Mythen im Internet kursierten, die nur schwer aus den Köpfen der Menschen zu bekommen seien und Beratungsgespräche beeinflussen können. 

Wenn die Drüse über sich hinauswächst – Update: benigne Prostatahyperplasie 

Was die Prostata leistet und welche pathologischen Veränderungen relevant sind, erläutert Dr. Christian Ude (Präsident der LAK Hessen). Ein erhöhter Wert des Prostataspezifischen Antigens kurz PSA könne ein Hinweis auf ein mögliches Karzinom sein. Typische Beschwerden bei einer Dysdunktion seien Probleme beim „Wasserlassen“. Dann spricht Ude über mögliche Behandlungsoptionen wie z. B. Phytotherapeutika aus Sägepalmenfrüchten, Brennesselwurzel oder Kürbissamen zu sprechen. Er sieht sich einzelne Präparate an, die Alphablocker oder 5α-Reduktasehemmer oder Muskarinrezeptor-Antagonisten enthalten. Männer über 40 seien besonders häufig von einer benignen Prostatahyperplasie betroffen. Deshalb pflanzliche Präparate prophylaktisch einzunehmen, lehnte der Experte aber ausdrücklich ab. 

Dysmenorrhoe – und wie relevant ist Endometriose? 

Wie eine Dysmenorrhoe und starke Regelbeschwerden behandelt werden können, erklärt anschließend Prof. Dr. Ariane Germeyer vom Universitätsklinikum Heidelberg. Sie führt durch die einzelnen Phasen der Erkrankung und macht klar, dass oft nicht einfach festzustellen sei, wie viel Schmerz normal ist. Sie erklärt pharmakologische Hintergründe und Therapieoptionen. Germeyer warnt vor dem Eindruck, jede zweite Frau habe Endometriose – ein Effekt sozialer Medien. Ob eine Unfruchtbarkeit tatsächlich auf Endometriose zurückgeht, ließe sich ohne unethische Studien aber nicht sicher bestimmen. Hormonelle Therapien lindern oft die Schmerzen, können aber bei Kinderwunsch problematisch sein. Wichtig sei, dass die Präparate individuell verträglich seien. „Das Internet ist da unser größter Feind“, macht Germeyer klar und erklärt, dass eine Patientin, die ein bestimmtes Hormonpräparat nicht verträgt, nicht automatisch alle anderen Hormonpräparate auch nicht vertrage. 

Arzneimitteltherapie in der Menopause – Mythen und Fakten

Ebenso viele Fehlinformationen rund um die Menopause musste Dr. Katrin Schaudig aus Hamburg aus dem Weg räumen: Die Menopause werde von sehr vielen unterschiedlichen Symptomen begleitet und eine Hormonbehandlung komme nicht für alle Frauen pauschal in Frage. Denn Frauen litten oft über viele Jahre unter Symptomen – „Jede Frau ist anders“, erklärt die Expertin. Schaudig beleuchtet pflanzliche, hormonelle und analgetische Therapien, erklärt die Besonderheiten bioidentischer Östrogene und den First-Pass-Effekt. Sie kritisiert zudem eine Presseberichterstattung, die häufig alte oder unzureichend geprüfte Studien wiederhole.

Männer reden anders, Frauen auch 

Der letzte Vortrag ergänzte als Blick „über den Tellerrand“ das Programm. Cornelia Tromm sprach als Coach für Kommunikation über verschiedene Gesprächsstile beider Geschlechter und weshalb es oft zu Problemen führe. Wahrnehmung und Kommunikationsmuster seien verschieden – Frauen hätten beispielsweise ein breiteres Sehfeld, Männer sähen oft schärfer. Frauen verknüpften Sach- und Gefühlsebene stärker und erwarteten allzu häufig, dass ihr männlicher Gesprächspartner dies ebenfalls beherrsche. Tromm empfiehlt klare Sprache und rät von unnötigen Konjunktiven ab – getreu dem Motto: „Tu’s oder lass es!“

Ausgezeichnet

Apothekerin Sophia Marie Rauleder erhielt den Preis für die beste Projektarbeit im Bereich Allgemeinpharmazie 2024. LAK-Vorstandsmitglied Philipp Böhmer begleitete ihre Arbeit.

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